Intellektuelle Redlichkeit
Niemand kann Zukunft voraussagen. Es gibt im Umgang mit der Zukunft keine Gewissheiten; Gesellschaften sind zu komplex, als dass es nur richtig oder falsch gibt. Die hier vorgetragene Meinung basiert auf Intellektueller Redlichkeit und ist eine Meinung unter vielen ernsthaften Argumentationen und es könnte sein, dass andere die Thematik richtiger sehen. Ich setzte grosse Fragezeichen zu Meinungen und Äusserungen die alternativlos und der eigenen Meinung entsprechend vorgeben zu Wissen, wie Zukunft, wie Digitalisierung, wie Zusammenleben und wie die zukünftige Gesellschaft sein wird. Grundlage dieses Artikels sind Gedanken, die auf Gründen beruhen. Diese Gedanken verlangen nach Aufklärung, Überprüfung und Korrektur; denn nur wenn alle an einer Entwicklung oder an einem Projekt beteiligten Gedanken in einer resonanten Beziehung stehen, können sie sich gemeinsam verändern, weiterentwickeln und zu Verstehen werden.
Immunisierung
Werden Gedanken einseitig priorisiert führt dies zu einer Immunisierung der eigenen Meinung. Die Steigerungslogik und die Externalisation von Legitimation an zeitliche Normen lassen verdinglichte Beziehungen entstehen und senken eine Käseglocke über Unternehmen, Institutionen und Schulen. Wer anderer Meinung ist, wir nicht zur Kenntnis genommen. Heiner Hug beschreibt diesen Zustand in seinem Artikel „Die Käseglocken-Gesellschaft“ folgendermassen:
„Als ob die Gesellschaft aus aneinandergereihten Käseglocken bestünde. Unter jeder Glocke befinden sich Gleichgesinnte, die überzeugt sind, recht zu haben und die eigentliche „Wahrheit“ vertreten. Sie konsumieren die gleichen Medien; man ist unter sich, feiert und indoktriniert sich. Fakten, die ihnen nicht in den Kram passen, lassen sie am Glas der Käseglocke abprallen.“ (Heiner Hug, Die Käseglocken-Gesellschaft, Journal21)
Es braucht einen Kompass
Zukünftige Entwicklungen wie die Digitalisierung sind in ihrer Tendenz nicht aufzuhalten. Findet Digitalisierung aber unter immunisierten und steigerungslogischen Bedingungen (Käseglocke) statt, wird sie zur technologischen Inszenierung. Zeitoptimierte lineare Innovationen sind teuer, weil sie mit grossem finanziellen Aufwand vermarket werden müssen. Digitalisierung ist nicht Big Data und auch nicht „Messen“; aber ohne einen ethischen, moralischen und gesellschaftlichen Kompass wird Digitalisierung zu Big Data! Big Data kann nicht Grundlage für zukunftsfähige Visionen sein. Es braucht einen Kompass, es braucht Sinn, es braucht eine Ethik, um Daten zu interpretieren; fehlt dieser Kompass bleiben Daten und Digitalisierung Sinndefizikompensation.
Resonanzpotential
Beschleunigungsprozesse beschädigen das Resonanzpotential von Unternehmen und Institutionen und führen zu verdinglichten und resourcenorientierten Beziehungen. Berühren und berührt werden treten in den Hintergrund. Begegnen wird zu besiegen. Gewinnen und verlieren werden zu Gewinn und Verlust. Resonanz kann nicht institutionalisiert und gemessen werden; Resonanzerfahrungen sind tendenziell unverfügbar und tauchen oft dann auf, wenn man sie nicht erwartet. Resonanzpotenzial äussert sich nur dann, wenn resonanzaffine Zeitstrukturen und eine beschleunigungsindifferente Zeitkultur priorisiert werden. Der Preis dafür, dass das Schnelle die Maxime der Zukunft sein könnte, wäre hoch. Er besteht meiner Meinung nach in der Gefahr des Verlustes zweiseitig antwortender Beziehungen und damit einhergehend im schleichenden Verlust menschlicher Würde. Menschen dürfen ihren Selbstzweck nicht verlieren, um Mittel zum Zweck zu werden.
Zeitkultur
Ich bin auf der Basis von Resonanz und Würde der Überzeugung, dass in Zukunft nur Unternehmen, Institutionen oder Schulen erfolgreich sein werden, die eine Zeitkultur etablieren und pflegen, die Resonanz und Resonanzerfahrungen ermöglicht. Postmoderne Erfolgsgeschichten müssen mehr zulassen als nur wirtschaftlicher Erfolg; ethische, soziale und gesellschaftliche Konzepte müssen genauso erfolgreich sein können.
Muster des Denkens, Handelns, Arbeitens und Verstehens
Die Moderne konnte das grosse Versprechen nach Autonomie nicht einlösen. In Zukunft werden meiner Meinung nach in Unternehmen und Institutionen wie Schulen neue Wege des Denkens gefragt sein. Resonanz und das Konzept der Würde bilden eine gute Basis, auf der sich sozial innovative Antworten auf die Frage nach einem guten und gelingenden Leben für alle entwicklen können. Resonante Weltbeziehungen äussern sich in einem alltäglichen Lebensentwurf der auf Würde beruht. Ich verstehe Resonanz und Würde als Muster unseres Denkens, Handelns, Arbeitens und Verstehens. Das Erkennen und Ausschöpfen des eigenen Resonanzpotentials ist die Grundlage für ein gutes und gelingendes Leben aller Menschen.
Heiner Hug (2017): Die Käseglocken-Gesellschaft. https://www.journal21.ch/die-kaeseglocken-gesellschaft